Am 13.03.2017 fand am Abend eine von der Jugendgruppe Against Racism Nienburg organisierte
Veranstaltung mit dem Thema „RechtsRock – Begleitmusik zu Mord und Totschlag“
im CJD Nienburg statt. Der Referent Jan Raabe informierte die etwa 20
Teilnehmer*innen dabei noch einmal speziell über rechten Rap mit Hilfe von
Soundbeispielen und Liedtexten.
RechtsRock
- was ist das eigentlich? Und was hat das mit Nienburg zu tun?
Im Landkreis Nienburg wohnt seit Jahren der ehemalige westfälische
Sektionsleiter des seit 2000 verbotenen, rechtsextremen Netzwerks „Blood &
Honour“ (englisch für „Blut und Ehre“), Dirk F. Das weltweite Netzwerk hatte es
sich u. a. zur Aufgabe gemacht hat, neonazistische Bands zu koordinieren und
die nationalsozialistische Ideologie zu verbreiten. Vor einigen Jahren hatte
Dirk F. versucht ein Neonazi-Konzert in Leese zu veranstalten.
Auch die derzeitige Neonaziszene in Nienburg ist auf
RechtsRock-Konzerten anzutreffen, wie beispielsweise beim „Eichsfeldtag“ 2016,
einem Rechtsrock-Open Air, das die NPD einmal im Jahr veranstaltet. Gefallen
finden die lokalen Neonazis auch an rechtem Rap. Hier finden sich Sympathien zu
„Makss Damage“ oder „Mic Revolt“.
Zudem sind Mitarbeiter*innen des Maßregelvollzugs im Landkreis nach
eigenen Aussagen oft mit rechter Musik konfrontiert.
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©ENDSTATION RECHTS. (Symbolbild/RechtsRock-Open-Air am 09.08.2014 im thüringischen Sondershausen) |
Der Begriff „RechtsRock“ bezieht sich nicht auf ein, wie auf den
ersten Blick vielleicht gedachtes, Genre, sondern auf alle Musikstile die neonazistische
Inhalte verbreiten. Pro Jahr erscheinen momentan etwa 100 professionell
produzierte Tonträger deutscher Neonazi-Bands.
Seinen Anfang hat der RechtsRock in den 80er Jahren in England.
Dort trafen rassistische und neonazistische Inhalte auf junge Leute, die
Punk-Musik machten. Diese Inhalte wurden über Musik mittels entsprechender
Texte umgesetzt. Äußerlich waren Beteiligte oft mit der Skinhead-Szene
verbunden, die ein Schläger-Image hatten. Dies bot später für Jugendliche keine
wirkliche Attraktivität mehr. Im Laufe der Zeit begeisterten sich aber auch
Personen aus der Black-Metal-Szene für neonazistische Inhalte, legten den Stil
der eigenen Szene aber nicht ab, sondern integrierten rechte Inhalte und
Symbole in diesen.
Nach dem Mauerfall 1989 fielen auch Hemmungen in der
RechtsRock-Szene. Das Gefühl alles zu dürfen und sagen zu können wird in dem
1990 veröffentlichten Lied „Hakenkreuz“ der Band „Radikahl“ deutlich. Im Lied
wird sich offen zu Adolf Hitler bekannt und gefordert „Hängt dem Adolf Hitler
den Nobelpreis um!“. Die Konzertorte zu dieser Zeit lagen überwiegend in den
neuen Bundesländern. Die durch die Wiedervereinigung entstandene Verunsicherung
der Polizei über die rechtliche Lage schuf hier einen fast rechtsfreien Raum.
So fanden viele rechte Konzerte ebenda statt. Wenig später fanden allerdings schon
die ersten Hausdurchsuchungen und Gerichtsverfahren gegen RechtsRock-Bands
statt.
Im Zuge dieser Entwicklung lassen Bands ihre Liedtexte durch
Anwält*innen prüfen, sodass diese knapp unter die Grenze zur Volksverhetzung
fallen. So können sie ihre CDs legal verkaufen und Geld verdienen. Die „Bundesprüfstelle für jugendgefährdende
Medien“ hat allerdings noch die Möglichkeit die Texte als
jugendgefährdend einzustufen.
Ab 2000 wurde der Nazi-Hardcore in der deutschen Szene populär.
Hardcore kommt ursprünglich aus einer linken, sozialkritischen Bewegung.
Neonazis waren aber nicht nur vom Genre, sondern auch von der Inszenierung
fasziniert. So wurde eine neue Ästhetik gefunden, die an die moderne
Jugendkultur anknüpfte. Als Nazi war es nun auch in Ordnung Kapuzenpullis zu
tragen und sich zu piercen. Das stieß natürlich nicht von Anfang an auf
Sympathien bei der gesamten rechtsextremen Szene, allerdings wurde das große
Mobilisierungspotenzial über den neuen Stil gesehen.
Rechte Musik gab es natürlich schon davor, sie bot aber kaum
Anknüpfungspunkte für eine moderne Jugendkultur. RechtsRock war also kein
Ergebnis einer rechten Strategie, auch wenn dieser strategisch genutzt werden
kann und wird um junge Leute anzusprechen. Beispielsweise nutzt die NPD RechtsRock
auf Schulhof-CDs, die kostenlos an Schüler*innen verteilt werden, klar als
Strategie um neue Mitglieder anzusprechen. Gerade für junge Menschen in der
rechten Szene ist Musik ein wichtiger Teil der Identität und Identifizierung.
Zurzeit bieten rassistische Proteste Musiker*innen aus dem
RechtsRockbereich Anknüpfungspunkte zwischen Neonazis und „Wutbürger*innen“.
Bands wie „Kategorie C“ aus Bremen schlagen Brücken von der rechten zur
Hooligan-Szene.
Neonazis
und Rap?
Rechten Rap gibt es als Phänomen erst seit ein paar Jahren. 2003
brachte die Band „Dissau Crime“ eines der ersten rechten Rap-Alben heraus. Rap
und HipHop sind ursprünglich migrantisch geprägt und kommen aus der
afroamerikanischen Kultur. Darum trifft Nazi-Rap auch in großen Teilen der
rechten Szene auf Ablehnung. Allerdings wird erkannt, dass Rap bei Jugendlichen
beliebt ist und als Mittel genutzt werden kann, ein junges Publikum mit rechten
Inhalten anzusprechen. So versuchten sich mehrfach rechte Musiker, die sonst in
der Hardcore oder Rock-Szene unterwegs waren, auch am Rap, auch wenn sie mit der
Musikrichtung selbst nicht sympathisierten. Dadurch waren diese Songs technisch
allerdings oft weniger gut.
Ende 2016 fand sich in der Hitliste der RechtsRock-Alben des
rechtsextremen Medienportals „fsn.tv“, die mittels Abstimmung der Leser*innen
erstellt wird, auf dem 2.Platz ein Album des Rappers „Makss Damage“.
Wie kommt
ein Nazi-Rap-Album also auf eine so hohe Platzierung, obwohl das Genre in der
eigenen Szene auf geringe Sympathie stößt?
Makss Damage hat in Bezug auf rechten Rap eine besondere Rolle.
Der ehemalige Stalinist machte vorher in der linken Szene auf sich aufmerksam.
Schon damals waren seine Texte sexistisch und antisemitisch geprägt bevor er
sich dann dem Rechtsextremismus zuwandte. Technisch sind seine Songs gut
gemacht, damit er aber in der rechten Szene ernstgenommen wird, musste er
härtere und deutlichere Liedtexte schreiben. Im Gegensatz dazu kann meist
gesagt werden, dass, je schlechter die Band ist, desto „krasser“ die Songtexte
sein müssen, um bekannt zu werden. Umgekehrt müssen technisch gute Bands eher
weniger auf deutliche Aussagen abzielen um eine breite Masse anzusprechen.
Nach Raabes Einschätzungen wird Rap nicht das Sprachmittel der
Rechtsextremen werden, in den nächsten Jahren ist ein Anstieg der Platten mit
rechtem Rap aber wahrscheinlich. Versuche den Modestil des Rap in der rechten
Szene zu etablieren sind gescheitert. Rap wird aber als Mittel angesehen, neue
jugendliche Zielgruppen anzusprechen und ist bei jungen Neonazis, wie bei den
sogenannten „Autonomen Nationalisten“, die in Auftreten und Aktionsformen
bewusst die linke autonome Bewegung kopieren, durchaus beliebt.
Während des Vortrags gab es einen kurzen Störversuch durch lokale
Neonazis.
Die Veranstaltung wurde durch den
Jugendaktionsfonds im Rahmen des Bundesprogramms „DEMOKRATIE LEBEN!“ gefördert.