Mit Freude und großer Aktionsbereitschaft nahmen wir diese als Demo
angekündigte Veranstaltung an, die sich mit den Geschehnissen rund um
Gastarbeiterinnen und Gastarbeitern in Stöckse und deren unmenschlichen
Unterbringung beschäftigen wollte. Diese Geschehnisse mussten
aufgegriffen und verarbeitet werden und vorallem öffentlich gemacht
werden.
Einen Dämpfer bekam dieser Enthusiasmus durch die
Tatsache, dass ein Polizist, der bereits vorher durch unangebrachtes
Verhalten gegenüber Aktivistinnen und Aktivisten auffiel, diese Demo
anmeldete. Diese Veranstaltung jedoch entpuppte sich dann eher als eine
Aktion bei der man sich in eine Seitengasse stellt und Schilder
hochhält. Mehr geschah bei der ganzen Geschichte nicht. Keine
Kundgebung, kein Marsch zumindest über die Lange Straße. Es wird klar,
abgesehen von den Zeitungen die mit Freude unsere Transparente
ablichteten, war die Effizienz dieser Aktion wohl doch als gering
einzustufen. Weiterhin wurde sehr schnell klar, dass die TeilnehmerInnen
dieser Kundgebung nur einen Arbeitgeber kritisierten und eben nicht das
Ausbeutungssystem, das diese und ähnliche Verhältnisse begünstigt wenn
nicht sogar befördert.
Ein Zusammenhang zwischen Ausbeutung und
kapitalistischen Produktionsverhältnissen wurde nicht gesehen, ferner
noch machten sich Teilnehmerinnen und Teilnehmer dieser "Mahnwache" über
den Satz "Kampf dem Kapital" auf unserem Transparent lustig.
Doch für uns bleibt klar die Beendigung ausbeuterischer Verhältnisse gelingt nur durch die Überwindung des Systems.
Für grenzenlose Solidarität - Kampf dem Kapital!
Hier nochmal ein Text eines alternativen Flyers, der von uns verfasst wurde:
"Gegen modernen Sklavenhandel
Vor gut zwei Wochen wurden in
einer alten Dorfgaststätte in Stöckse (Landkreis Nienburg/Weser) 32
ukrainische Studenten_innen, die als Erntehelfer_innen für einen
laatzener Landwirt arbeiten sollten, untergebracht. Die Zustände, die
die weit gereisten Ukrainer_innen dort auffanden waren katastrophal: Im
gesamten Gebäude gab es nur eine funktionsfähige Dusche und zwei
Toiletten. Zudem konnte die Badezimmertür nicht verschlossen werden.
Auch in der Küche und den Schlafräumen gab es große Missstände. So
funktionierten nur zwei Herdplatten und aus Mangel an Bettdecken war ein
Ukrainer gezwungen sich mit seiner Kleidung zuzudecken. Da die nächste
Einkaufsmöglichkeit im Nachbardorf rund 5 Kilometer entfernt ist, und
der Landwirt ihnen keine Fahrräder zur Verfügung stellte, waren die
Studenten_innen gezwungen die 5 Kilometer zu Fuß zurückzulegen. Vor
ihrer Ankunft in Stöckse wurden ihnen von einer Ferienjobagentur aus
Frankfurt/Oder und dem Landwirt aus Laatzen 1000€ pro Monat, für ihre
Arbeit auf der Heidelbeerplantage des Landwirts, versprochen. Von diesem
Geld haben die Studenten_innen nach eigenen Angaben noch keinen Cent
gesehen. Vielmehr mussten sie für die alte, renovierungsbedürftige
Gaststätte, die ihnen als Unterkunft diente, 120€ Miete bezahlen. Eine
menschenverachtende Tatsache! Aufgrund der schlechten Wohn- und
Arbeitsverhältnisse, gingen einige Studenten_innen durch das Dorf und
fragten bei einigen Haushalten nach Arbeit. Durch Misstrauen und
Vorurteile wurden die ukrainischen Gäste jedoch in den sozialen
Netzwerken als Verbrecher und Kriminelle verdächtigt. Ein neues,
trauriges Beispiel von Rassismus im Alltag.
Nachdem die
Ukrainer_innen von der Agentur für Arbeit an andere Arbeitgeber
vermittelt wurden und die alte Gaststätte verlassen konnten, plant der
Landwirt in Zukunft Rumänen_innen als Erntehelfer einzusetzen und schon
in wenigen Tagen an gleicher Stelle unterzubringen. Nachdem Behörden und
Bevölkerung die Zustände in Stöckse mit eigenen Augen feststellen
konnten, ist die neue Planung des Landwirts nicht tragbar und unbedingt
zu verhindern. Selbst wenn die gestellten Bedingungen und Auflagen
eingehalten werden können, ist eine Unterbringung von Arbeitskräften in
dem betroffenen Gebäude nicht zu akzeptieren. Ausländische
Saisonarbeiter dürfen in Zukunft nicht mehr wie Vieh behandelt werden
und von ihren deutschen Arbeitgebern rassistischen Anfeindungen, wie es
auch in Stöckse der Fall war, ausgesetzt sein. Vielmehr sollte die
Bevölkerung sich solidarisch zeigen und auf den Kauf bei rassistischen
und betrügerischen Landwirten verzichten!
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